Sprüche und Gedichte

Seit geraumer Zeit sammle ich unterschiedliche Gedanken, die in Gedichte oder Sprüche gefasst sind.  Auf diesen Seiten stelle ich einige davon vor, einige sind mir geschrieben.

Gedichte:

Der Albatros, Charles Baudelaire

Oft fangen die Matrosen, um sich zu vergnügen,
Den mächtigen Meeresvogel ein, den Albatros;
Den Schiffen, die den bittern Abgrund überfliegen,
Folgt er in gleichgemut der Fahrt geselltem Troß.

Kaum aber ist er hingezwungen auf die Planken,
Läßt dieser König des Azur in seiner Scham
Die großen weißen Flügel kläglich an den Flanken
Wie Ruder niederhängen, ungeschickt und lahm.

Wie linkisch er sich hinschleppt in der Flügel Steife!
Er, sonst so schön, wie ist er häßlich in der Schmach!
Den Schnabel neckt ihm einer mit der Stummelpfeife,
Ein andrer, hinkend, äfft den Flug des Krüppels nach!

Des Dichters Ebenbild ist dieser Fürst der Wolke,
Im Sturm ist er behaust, verlacht des Schützen Strang,
Verbannt zur Erde aber und umhöhnt vom Volke,
Hindern die riesenhaften Flügel seinen Gang.

Exotischer Duft, Charles Baudelaire

Wenn ich geschlossnen Augs an einem warmen Abend
Im Herbst den Dufthauch atme deiner heißen Brüste,
Entrollt vor meinem Blick sich eine selige Küste,
Mich mit dem Glutglanz immer gleicher Sonne labend.

Ein Eiland voller Muße, von der Natur gesegnet,
Seltsame Bäume gibt es, Früchte voller Saft,
Die Männer schlank von Wuchs und von gesunder Kraft,
Du staunst, wie frei der Blick der Frauen dir begegnet.

Von deinem Duft in jene Zauberwelt verschlagen,
Schau einen Hafen ich, wo Mast und Segel ragen,
Noch ganz ermüdet von dem Schaukelschlag der Wellen,

Indes die Wohlgerüche grüner Tamarinden,
Die rings die Luft durchwehn und mir die Nüster schwellen
In meinem Geist dem Sang der Schiffer sich verbinden.

Ich lebe mein Leben, Rainer Maria Rilke, 1889

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Der römische Brunnen, Conrad Ferdinand Meyer

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,

Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;

Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,

Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

Von guten Mächten, Dietrich Bonhoeffer, 1945

1. Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

2. Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

3. Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

4. Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.

5. Laß warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

6. Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.

7. Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

O Haupt voll Blut und Wunden, Paul Gerhardt

1.
O Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden
mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret: 
gegrüßet seist du mir!

2.
Du edles Angesichte,
davor sonst schrickt und scheut
das große Weltgewichte:
wie bist du so bespeit,
wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht nicht gleichet,
so schändlich zugericht’?

3.
Die Farbe deiner Wangen,
der roten Lippen Pracht
ist hin und ganz vergangen;
des blassen Todes Macht
hat alles hingenommen,
hat alles hingerafft,
und daher bist du kommen
von deines Leibes Kraft.

4.
Nun, was du, Herr, erduldet, 
ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet, 
was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer,
der Zorn verdienet hat.
Gib mir, o mein Erbarmer,
den Anblick deiner Gnad.

5
Erkenne mich, mein Hüter,
mein Hirte, nimm mich an.
Von dir, Quell aller Güter,
ist mir viel Guts getan;
dein Mund hat mich gelabet
mit Milch und süßer Kost,
dein Geist hat mich begabet
mit mancher Himmelslust.

6.
Ich will hier bei dir stehen,
verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen,
wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen
im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen
in meinen Arm und Schoß.

7. 
Es dient zu meinen Freuden
und tut mir herzlich wohl,
wenn ich in deinem Leiden,
mein Heil, mich finden soll.
Ach möcht ich, o mein Leben,
an deinem Kreuze hier
mein Leben von mir geben,
wie wohl geschähe mir!

8.
Ich danke dir von Herzen,
o Jesu, liebster Freund,
für deines Todes Schmerzen,
da du’s so gut gemeint.
Ach gib, dass ich mich halte
zu dir und deiner Treu
und, wenn ich nun erkalte,
in dir mein Ende sei.

9.
Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir,
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.

10.
Erscheine mir zum Schilde,
zum Trost in meinem Tod,
und lass mich sehn dein Bilde
in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken,
da will ich glaubensvoll
dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Geh aus mein Herz und suche Freud, Paul Gerhardt

1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
Schau an der schönen Gärten Zier,
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.

2. Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide;
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide.

3. Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fliegt aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder;
die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder.

4. Die Glucke führt ihr Völklein aus,
der Storch baut und bewohnt sein Haus,
das Schwälblein speist die Jungen,
der schnelle Hirsch, das leichte Reh
ist froh und kommt aus seiner Höh
ins tiefe Gras gesprungen.

5. Die Bächlein rauschen in dem Sand
und malen sich an ihrem Rand
mit schattenreichen Myrten;
die Wiesen liegen hart dabei
und klingen ganz vom Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten.

6. Die unverdrossne Bienenschar
fliegt hin und her, sucht hier und da
ihr edle Honigspeise;
des süßen Weinstocks starker Saft
bringt täglich neue Stärk und Kraft
in seinem schwachen Reise.

7. Der Weizen wächset mit Gewalt;
darüber jauchzet jung und alt
und rühmt die große Güte
des, der so überfließend labt,
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte.

8. Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen;
ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen.

9. Ach, denk ich, bist du hier so schön
und läßt du’s uns so lieblich gehn
auf dieser armen Erden;
was will doch wohl nach dieser Welt
dort in dem reichen Himmelszelt
und güldnen Schlosse werden!

10. Welch hohe Lust, welch heller Schein
wird wohl in Christi Garten sein!
Wie muß es da wohl klingen,
da so viel tausend Seraphim
mit unverdroßnem Mund und Stimm
ihr Halleluja singen?

11. O wär ich da! O stünd ich schon,
ach süßer Gott, vor deinem Thron
und trüge meine Palmen:
So wollt ich nach der Engel Weis
erhöhen deines Namens Preis
mit tausend schönen Psalmen.

12. Doch gleichwohl will ich, weil ich noch
hier trage dieses Leibes Joch,
auch nicht gar stille schweigen;
mein Herze soll sich fort und fort
an diesem und an allem Ort
zu deinem Lobe neigen.

13. Hilf mir und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
daß ich dir stetig blühe;
gib, daß der Sommer deiner Gnad
in meiner Seele früh und spat
viel Glaubensfrüchte ziehe.

14. Mach in mir deinem Geiste Raum,
daß ich dir werd ein guter Baum,
und laß mich Wurzel treiben.
Verleihe, daß zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

15. Erwähle mich zum Paradeis
und laß mich bis zur letzten Reis
an Leib und Seele grünen,
so will ich dir und deiner Ehr
allein und sonsten keinem mehr
hier und dort ewig dienen.

Sprüche:

Sprüche sind sprachliche Formeln, die Zusammenhänge aufdecken oder zuallererst entdecken lassen. Oft sind sie als Eselbrücken konzipiert oder treten als Sinnspruch oder Unsinn zutage. Auch ist das Klopfen und Behauen von Sprüchen ein gesunder Denksport.

Neue Sprüche für die Website: (Bitte vor die bisherigen setzen, so dass die älteren weiter hinten stehen)

Wer am Abgrund steht, sollte über sollte über einen Schritt zurück oder eine Umkehr nachdenken. MvB

Der Schankverlust bedeutet für viele einen Gewinn. MvB

Der Pragmatiker wird das Schöne hören oder sehen und die Zweckdienlichkeit trefflich vermarkten, aber den Sinn niemals verstehen. FMS

Alt ist, wer sich an nichts mehr erinnern will – oder kann. MvB

Hinter vielen Algorithmen verbirgt sich organisierte Verantwortungslosigkeit. MvB

An den meisten Enttäuschungen ist die aufgedeckte Selbsttäuschung das Schmerzhafte. FMS

Viele, die mehrere Identitäten besitzen und ihre wahre Identität suchen, sollten sich fragen, welche ihrer Identitäten auf die Suche geht. FFvR

Was hilft es, die Welt zu gewinnen, aber Schaden an der Seele zu nehmen? Markus 8,36 par.

Für einen echten Richtungswechsel genügt es nicht, das Navigationssystem neu zu programmieren. FFvR

Wer zu lange zögert, über seinen eigenen Schatten zu springen, braucht sich nicht zu wundern, dass es Nacht geworden ist. FFvR

Wer will andere gewinnen, der sich nicht selbst überwunden hat? MvB

Was hast du mir zu sagen, wenn du mir nicht zuhören kannst? FMS

Wer überwindet, der wird alles ererben. Offenb. 21,7 

(ὁ νικῶν κληρονομήσει ταῦτα)

Wenn Lügen kurze Beine haben, so braucht es für Wahrheiten einen langen Atem. MvB

Auch wenn die Liebe beizeiten blind macht, so macht der Hass niemals sehend. FFvR

Verliebte sehen einander durch eine rosaroste Brille, bis das Erwachen kommt. Bei Selbstverliebten besteht diese Möglichkeit nicht. MvB

Wenn diese (Jünger) schweigen, so schreien die Steine. Luk 19,40b

Wenn wir über gewisse Angelegenheiten, nennen wir sie Ungemach, hinwegsehen, dann ist es doch eigentlich ganz schön. FMS

Die Kreativität steht auf stand by. FMS

„Must have“ brauche ich nicht. FMS

„Es ist nicht erforderlich, jede Stellung oder Variante durchzuspielen, auf dem Schachbrett. FFvR

Er klammerte sich über all die Jahre an ihre leeren Versprechungen; oder waren es ihre wonnigen Verheißungen. FFvR

In einer langen, dunklen Winternacht bedeutet ein Lichtstrahl, ein Funke, schon viel. Sie schenkte ihm ein Lächeln. FvB

Woran erkenne ich einen weiblichen Hipster? FFvR

Sein Gesicht ist weit weniger ein Spiegel seiner Seele; sein Gesicht spiegelt ein Mattscheibe. FvB

Sein Geistesblitz muss einem Kurzschluss entsprungen sein. FvB

Wenn in einem Wassertropfen die Information des ganzen Ozeans enthalten ist und in einem Samenfaden und einer Eizelle der Code für den ganzen Menschen, warum kann ich dann nicht segeln? FvB

Hinter mancher Demut und Bescheidenheit liegt Hochmut verborgen. Und hinter Hochmut und Hybris sind häufig Angst und Trauer verborgen. F.v.B

Was sagt der Körper einer Magersüchtigen über die Sehnsüchte ihrer Seele? FvB

Du siehst aus wie frisch exhumiert. FvB

Das Faszinosum der großen Erkenntnisse liegt in ihrem Geheimnis. FvB

Das Leben wird gefährlich, wenn es zu sicher wird. FvB

Reich ist, wer gerne schenkt und gibt. FvB

Die Persönlichkeit hinter der Maske kommt zum Vorschein, wenn du ihr widerstehst. F.v.R.